Leben in der Coronasphäre #no.14
Hätte
man mir vor ein paar Wochen gesagt, mein Eremitendasein würde schon
bald für einen Akt gesellschaftlicher Solidarität Pate stehen, wäre ich
wahrscheinlich davon ausgegangen, dass man sich auf sehr perfide Art und
Weise über mich lustig macht. Aber nun sind wir tatsächlich an diesem
Punkt angelangt. Das Coronavirus SarS-Cov-2 hat für einen
gesellschaftlichen Ausnahmezustand gesorgt, wie ihn vor der
Nachkriegsgeneration wahrscheinlich niemand mehr in ähnlicher Intensität
erleben musste. Kindergärten, Schulen und Universitäten schließen,
Cafés, Bars und Restaurants müssen ihren Betrieb vorübergehend
einstellen und nicht wenige Selbstständige bangen um ihre Existenz. Seit
Anfang der Woche reglementiert das von Bund und Ländern angeordnete
Kontaktverbot unser Miteinander: nur noch maximal zwei Personen, die
nicht im selben Haushalt leben, dürfen physisch miteinander in Kontakt
treten.
Man
könnte vielleicht meinen, dass sich für eine Person in einer
depressiven Phase wenig ändert oder dass diese schon vergleichsweise gut
auf diese Art von Ausnahmezustand vorbereitet ist. Schließlich sind
soziale Isolation und Einsamkeit für viele depressiv erkrankte Menschen
alltäglich. Ich selbst bin bis vor Kurzem noch davon ausgegangen.
Aber dem ist nicht so. Die kollektive Quarantäne fühlt sich an wie eine Kandare — oder wie ein Würgegriff. Eingepfercht in meiner kleinen Dachgeschosswohnung und ohne jegliche Struktur von Außen — keine Uni, keine Arbeit, keine sozialen Events — scheitere ich daran, eine halbwegs geregelte Tagesstruktur auf die Beine gestellt zu bekommen. Das ansonsten geltende verhaltenstherapeutische Credo “Aktivität, Aktivität, Aktivität!” kommt ganz unerwartet an seine Grenzen. Die Verhaltenstherapie ist allem Anschein nach nicht mit dem Gedanken an eine globale Pandemie im Hinterkopf konzipiert worden.
Aber dem ist nicht so. Die kollektive Quarantäne fühlt sich an wie eine Kandare — oder wie ein Würgegriff. Eingepfercht in meiner kleinen Dachgeschosswohnung und ohne jegliche Struktur von Außen — keine Uni, keine Arbeit, keine sozialen Events — scheitere ich daran, eine halbwegs geregelte Tagesstruktur auf die Beine gestellt zu bekommen. Das ansonsten geltende verhaltenstherapeutische Credo “Aktivität, Aktivität, Aktivität!” kommt ganz unerwartet an seine Grenzen. Die Verhaltenstherapie ist allem Anschein nach nicht mit dem Gedanken an eine globale Pandemie im Hinterkopf konzipiert worden.
Ganz
so eindimensional ist es dann natürlich doch nicht. Aktivitäten
einzuplanen und durchzuführen ist selbstverständlich nach wie vor in
einem sehr viel engerem Rahmen möglich. Allerdings erscheint der
organisatorische Aufwand umso größer, je mehr man ganz auf sich allein
gestellt ist und je weniger positive Anreize vorhanden sind. Irgendwann
werden auch die besten Videospiele langweilig und eintönig. Viele Bücher
hat man schon oft genug gelesen. Nudeln sind zwar einfach zuzubereiten,
aber spätestens am dritten Tag in Folge nur noch dazu gut, die Zeit in
Quarantäne nicht mit leerem Magen zu fristen. Die zwei, drei Parks um
die Ecke sind eigentlich ganz schön, aber nach ein, zwei Wochen kennt
man dort gefühlt jeden Winkel. Nach und nach werden die eigenen vier
Wände zu einem Gefängnis auf 24m² Fläche.
Ich
möchte nicht sagen, dass diese Empfindungen einem Menschen mit
psychischer Erkrankung vorenthalten sind — oder meine Erfahrungen als
besonders tragisch inszenieren. Sicherlich trifft die Isolation uns in
diesen Tagen alle hart. Doch für Menschen, die auch ohne bundesweiten
Ausnahmezustand mit sozialer Isolation, Langeweile und der Organisation
ihres Alltags zu kämpfen haben, handelt es sich um eine besondere
Herausforderung (über deren Erfahrung Betroffene sprechen sollten, wenn
es ihnen hilft). Deshalb
stellt auch die “Stiftung Deutsche Depressionshilfe” ihr digitales
Angebot für Patienten aktuell ohne Einschränkungen zur Verfügung.

Zum Abschluss möchte ich noch einmal, wie schon andere vor mir,
kurz darauf hinweisen, dass es keinerlei Notwendigkeit dafür gibt, das
größtmögliche Maß an Selbstoptimierung aus dieser Krise herauszuholen.
Wenn ihr Bock darauf habt, lest die Bücher, die ihr schon immer lesen
wolltet, lernt die Sprache, die euch schon seit jeher fasziniert oder
nutzt die Zeit für all die aufgeschobenen Aufgaben, die sich mit der
Zeit so ansammeln. Wenn ihr aber, so wie ich aktuell, lieber rumhängen
und Pokémon spielen möchtet, ist das auch völlig okay.
"Mnky"
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