Wut #no.9

„Diese Wut hört niemals auf“ hat sie gesagt. Ganz plötzlich unerwartet taucht sie auf, lauert an jeder
Ecke und umarmt dich von hinten. „Lass doch einfach los. Jetzt ist doch alles gut.“ haben sie gesagt,
aber in Wahrheit ist es ja so: die alten Dämonen loszulassen, das ist am allerschwierigsten. Denn sie
waren da und haben dich gehalten, als es sonst niemand getan hat. Und die Wut, sie macht es
möglich, dass alles zu ertragen ist, dass alles einen Sinn bekommt. Heimlich still und leise ist sie
gekommen und geblieben. Niemand kann sagen, wann sie das erste Mal kam. Stück für Stück ist sie
gewachsen - in all den Momenten die eigentlich unerträglich waren. Die Wut hat geholfen, sie
auszuhalten. Hat sich an dich geschmiegt und dir Wärme gespendet. Langsam ist sie zu einem
Weggefährten geworden. Wollte sie zunächst nur kurz verweilen, so hat sie sich irgendwann
entschlossen als Dauergast zu bleiben. Heute ist sie dein engster Freund, passt auf dich auf und
sichert die Türen. Niemand kommt dir zu nahe, dafür sorgt sie die Wut.
Aber die Wut, sie hat noch einen zweiten Weggefährten mitgebracht. Die Einsamkeit, sie geht immer
Hand in Hand mit ihr, nimmt dir die Wärme und drückt auf deine Schulter. Die Wut sie hilft dir durch
den Alltag zu kommen, sie spendet Energie und lodert wie ein Feuer. Die Einsamkeit, sie kommt in
den stillen Momenten, macht die Last unerträglich und nimmt dir die Hoffnung. Willst du das Eine
loslassen, so musst du dich auch von dem Anderen verabschieden.
„Du musst dich öffnen, Vertrauen lernen“ auch das haben sie gesagt. Aber in Wahrheit ist es ja so:
die alten Dämonen loszulassen, das ist am allerschwierigsten.

„SB“

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